Polizei stoppte Ulmer Fanszene & nahm SVK-Fans in Gewahrsam

Im Vorfeld des WFV-Pokalfinals zwischen den Stuttgarter Kickers und dem SSV Ulm kam es am Samstag zu einem umstrittenen Polizeieinsatz am Stuttgarter Hauptbahnhof, weshalb die Ulmer Fanszene die 1. Halbzeit komplett verpasste. Nach Abpfiff nahm die Polizei 121 Fans in Gewahrsam.

Die Ulmer Fanszene wurde nach Ankunft in Stuttgart von der Polizei festgehalten.
Die Ulmer Fanszene wurde nach Ankunft in Stuttgart von der Polizei festgehalten. Bild: Münsterstadt

Der umstrittene Polizeieinsatz am Stuttgarter Hauptbahnhof erfolgte nach Ankunft von etwa 300 bis 400 Gästefans. Die Polizei sperrte das Ankunftsgleis ab. Nachdem eine Fackel gezündet wurde, sollten die anwesenden SSV Ulm-Fans auf Pyrotechnik kontrolliert werden. Letztlich wurden die Ulmer Fans hinter den Hauptbahnhof gebracht und dort kontrolliert. „Bereits vor Beginn, gegen 14.00 Uhr, zündeten Ulmer Fans bei ihrer Ankunft am Stuttgarter Hauptbahnhof mehrfach Pyrotechnik ab. Deshalb durchsuchten die Polizeikräfte rund 300 Ulmer Fans am Hauptbahnhof nach verbotenen Gegenständen. Kinder und Frauen waren von den Kontrollmaßnahmen ausgenommen. Für die Dauer der Durchsuchung stellte die Polizei Getränke und Toiletten bereit. Gegen 14.35 Uhr versuchten vereinzelt Fans die Polizeikette zu durchbrechen, sodass Beamte der Bundespolizei Pfefferspray einsetzten. Verletzt wurde nach derzeitigem Kenntnisstand niemand. Die zuvor in der Polizeikontrolle befindlichen mehreren Hundert Anhänger des SSV Ulm wurden nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen mit Sonderzügen zum Stadion gebracht. Die Vorfälle am Hauptbahnhof wurden videografiert und werden ausgewertet“, schilderte die Polizei die Vorfälle aus ihrer Sicht.

Die Polizei setzte am Hauptbahnhof in Stuttgart Pfefferspray gegen SSV Ulm-Fans ein.
Die Polizei setzte am Hauptbahnhof in Stuttgart Pfefferspray gegen SSV Ulm-Fans ein. Bild: Münsterstadt

Die Ultragruppen Broken Society Ultras und Nebulosa Impero widersprachen diesen Darstellungen der Polizei. Nach Angaben der Ultras sei „kein Beamter körperlich angegriffen“ worden. Zudem seien Frauen und Kinder von der Einkesselung nicht ausgenommen und der Gang zur Toilette sei erst möglich gewesen, als das Ankunftsgleis verlassen wurde. Die Ulmer Fans, die zuletzt kontrolliert wurden, sollen wegen der Kontrollen erst Mitte der 2. Halbzeit im Stadion angekommen sein.

Hinterm Hauptbahnhof wurden die SSV Ulm-Fans kontrolliert.
Hinterm Hauptbahnhof wurden die SSV Ulm-Fans kontrolliert. Bild: Münsterstadt

Im Stadion auf der Waldau leiteten die Fans der Stuttgarter Kickers, die laut Zaunbeflaggung von SSV Jahn Regensburg und Blau-Weiß Linz-Fans unterstützt wurden, die Partie mit einer großen "HATE IT OR LOVE IT - THE UNDERDOG'S ON TOP"-Choreografie in Anlehnung an einen gleichnamigen Song von The Game und 50 Cent ein. Außerdem zündeten SVK-Fans und ihre Freunde im B-Block noch blauen Rauch und Bengalische Fackeln. Im Gästebereich wurde in der 2. Halbzeit schwarzer und weißer Rauch gezündet.

Die Choreografie der SVK-Fans.
Die Choreografie der SVK-Fans. Bild: 88hop2ping55

Die Polizei Stuttgart wirft den Fans der Stuttgarter Kickers und befreundeten Jahn Regensburg-Anhängern vor, nach Abpfiff des Finals die Auseinandersetzung mit Ulmer Fans gesucht und deswegen das Stadion verlassen zu haben. Die Polizei ging jedoch gegen die Fans vor und will so ein Aufeinandertreffen beider Fanlager verhindert haben. Dabei nahm die Polizei 121 Fans in Gewahrsam, gegen die wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs ermittelt werde.

SVK-Fans und Freunde brannten mehrfach Pyrotechnik ab.
SVK-Fans und Freunde brannten mehrfach Pyrotechnik ab. Bild: 88hop2ping55

Sportlich setzte sich der SVK im Elfmeterschießen mit 5:4 gegen den SSV Ulm durch. Die Stuttgarter Kickers spielen somit 2022/2023 im DFB-Pokal. Das WFV-Finale im Stadion auf der Waldau fand am Samstag vor einer Rekordkulisse von 7.300 Fans statt. (Faszination Fankurve, 24.05.2022)

Schwarzer und Weißer Rauch im Gästebereich.
Schwarzer und Weißer Rauch im Gästebereich. Bild: 88hop2ping55

Eingekesselte SVK-Fans im Nachgang des Spiels.
Eingekesselte SVK-Fans im Nachgang des Spiels. Bild: traveler_rv

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme von Broken Society Ultras und Nebulosa Impero:

Vorkommnisse vom Pokalfinale am 21.05.2022

Am Samstag ist es im Rahmen des WFV-Verbandspokalfines zwischen den Stuttgarter Kickers und dem SSV Ulm 1846 zu einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz gegen Fußballfans des SSV Ulm am Stuttgarter Hauptbahnhof gekommen.

Was ist passiert?
Gegen 14:10 Uhr ist unser Sonderzug mit ca. 300-400 Ulmer Fans am Hauptbahnhof Stuttgart am Gleis 1 angekommen. Es gab während der Fahrt keinerlei negative Vorkommnisse, im Gegenteil: Die Stimmung war ausgelassen und friedlich.

Nach dem Ausstieg versammelten sich die Zugfahrer am Gleis, hierbei fiel auf, dass sich eine 100 Mann starke Polizeikette zwischen Gleis und Ausgang positioniert hatte. Keinem der anwesenden Fans war es möglich, das Gleis zu verlassen. Beim Versammeln der Zugfahrergruppe wurde im hinteren Teil eine pyrotechnische Fackel gezündet, die kontrolliert in der Hand gehalten wurde. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung unter den mitgereisten Fans fröhlich und friedlich.

Nach 20 Minuten ohne jegliche Information über den Anlass dieser Maßnahme erhielt die Gruppe letztlich durch die eigenen Fanbeauftragten genauere Informationen: Aufgrund des einen pyrotechnischen Gegenstandes sollten Personalien von bestimmten Personen aufgenommen werden.

Der Polizeibericht erwähnt zwar, dass im Zeitraum der Durchsuchungen Toilette und Getränke bereitgestellt wurden, verschweigt aber, dass in der Zeit zuvor die existenziellen Bedürfnisse nicht befriedigt wurden konnten. Aus dieser Notsituation heraus begaben sich nach weiteren 20 Minuten ohne polizeiliche Informationen einzelne Ulmer Fans ins Gleisbett, um ihre Notdurft zu verrichten. Von diesem Polizeikessel wurden Frauen und Kinder nicht ausgenommen. Ob diese, wie weitere Fans sich in der Öffentlichkeit hätten entblößen müssen, war den anwesenden Beamten egal.

Insbesondere besonders zu schützende Gruppen waren den Folgen der willkürlichen Einkesselung ausgesetzt. Nach ca. 45 Minuten der Nichtinformation und Nichtreaktion seitens der handelnden Beamten auf unsere berechtigten Fragen, wurden die Beamten der vordersten Polizeireihe etwas deutlicher angesprochen. Wir möchten betonen, dass entgegen der Darstellung der Polizei, kein Beamter körperlich angegriffen wurde. Diese spricht von einer durchbrochenen Polizeikette. Die Folge waren unkontrollierte, ungezielte Salven Pfefferspray in die gesamte Menge der wartenden Fans. Dass die Situation nicht eskaliert ist, haben wir nur dem besonnenen Verhalten aller Ulmer Fans zu verdanken.

Etliche Personen mussten sich daraufhin mit einem im Gleisbett, den Hygieneanforderungen in keinster Weise entsprechenden und so potenziell gesundheitsschädlichen befindlichen Wasserschlauch die Augen ausspülen. Der Weg zu der Toilette wurde von den Beamten versperrt. Erneut wurden besonders schützenswerte Gruppen in Gefahr gebracht!

Die Polizei Stuttgart scheint über der Verfassung zu stehen, indem sie das Grundgesetz konsequent missachtet. Nach ca. einer Stunde konnte endlich ein Gespräch über Fanbeauftragte mit dem Einsatzleiter der Polizei arrangiert werden. Dieser machte auf seine "Null-Toleranz -Linie" aufmerksam. Uns wurde mitgeteilt, dass er die komplette Gruppe, (abzüglich einiger ausgewählter ,,normaler Fans"), mittels seiner Beamten auf pyrotechnische Gegenstände durchsuchen möchte.

Nach kurzer Diskussion hat man sich aufgrund der Wichtigkeit des Spiels und der fortgeschrittenen Zeit auf die Kontrolle eingelassen. Letztlich blieb uns keine Wahl. Die anwesenden Fans reagierten trotz allem immer noch ruhig und kompromissbereit! Nach weiteren 10 Minuten ohne Reaktion wurde die gesamte Fangruppe mit 300 Personen auf die Rückseite des Bahnhofes geleitet. Hier standen 2 Dixie-Klos und ein Spalier aus Kastenwägen bereit.

Dies sind Indizien, dass die polizeiliche Maßnahme nicht darauf zielte, strafbare Vergehen zu ahnden. Vielmehr erkennen wir darin ein geplantes Vorgehen zur Einschüchterung Ulmer Fans. Nun stand man dort weitere 15-20 Minuten ohne Reaktion. Selbst Teile der ausführenden Beamten schienen dem Plan der Einsatzleitung kritisch gegenüberzustehen. Auf Rückfragen bei den Beamten wurde nur mit Schulterzucken oder der Aussage ,,Wir wissen selbst nicht was das soll" geantwortet.

Um ca. 15:40 begannen die Kontrollen. Es wurden an 2-3 Seiten Menschen durch ein Spalier gelassen, an eine Wand gestellt und bis auf den Intimbereich abgetastet. Gefunden wurde nichts. Frauen wurden von der Maßnahme nicht ausgenommen, wie es der Polizeibericht fälschlicherweise suggeriert.

Die kontrollierten Personen wurden im Anschluss in Gruppen bestehend aus 100 Personen gesammelt und in Sonderstraßenbahnen zur Waldau gebracht. Die letzten kontrollierten Personen fanden sich somit erst Mitte der 2. Halbzeit im Stadion ein.

Offensichtlich handelte es sich bei dem ganzen Theater um eine geplante und einfach nur zum Einschüchtern und Schikanieren gedachte Aktion. Es ist nur dem besonnenen Handeln der ganzen Zugfahrer-Gruppe zu verdanken das es hier nicht zu einer gewollten Eskalation der Lage gekommen ist.

Dass wir als Szene von der Polizei wie Dreck behandelt werden, ist bekannt. Das aber auch Leute schikaniert werden, die mit uns nichts zu tun haben, ebenso Frauen, Kinder und ältere Personen lässt uns einfach nur fassungslos zurück.

Niemand muss Bulle sein.

Broken Society Ultras und Nebulosa Impero
23.05.22

An alle Spatzenfans die betroffen waren und Angaben machen können und wollen, bitte schreibt eine offizielle Stellungnahme und schickt sie an fanbetreuung@ssvulm1846-fussball.de Bitte bleibt sachlich und nehmt nur Stellung zu den Dingen die euch selbst widerfahren sind. Keine Vermutung, keine Emotionen. Sachlich und wahrheitsgetreu.

"Niemand muss Bulle sein"-Botschaft im Gästeblock.
"Niemand muss Bulle sein"-Botschaft im Gästeblock. Bild: 88hop2ping55

Weitere News - News Deutschland

News Deutschland

„Personalienfeststellung endete erneut mit einem Rettungswageneinsatz“

Beim Heimspiel von Eintracht Braunschweig gegen den Hamburger SV war in der Südkurve eine Ausstellung zum Thema Polizeigewalt zu sehen. Außerdem wurde ein Vortrag zum Thema gehalten. Noch während dieses Vortrags kam es in unmittelbarer Nähe zum Eintracht-Stadion zu einer Personalienfeststellung. mehr

News Deutschland

Waldhof-Fanbus auf Parkplatz mit drei Szene-Bussen des FCK angegriffen

Ein Fanbus von Waldhof Mannheim wurde am Samstagabend auf einem Autobahnparkplatz von Fans des 1. FC Kaiserslautern angegriffen. Die Insassen forderten den Busfahrer auf, nicht anzuhalten. Dadurch konnte ein direktes Aufeinandertreffen zwischen beiden Fanlagern verhindert werden. mehr

News Deutschland

Dynamo-Fans berichten von „drohender Eskalation im Gästeblock des Jahnstadions“

Dynamo Dresden gastierte am gestrigen Samstag im Jahnstadion beim SSV Jahn Regensburg. Die Schwarz-Gelbe Hilfe kritisierte im Nachgang des Auswärtsspiels das Vorgehen von Polizei und Ordnungsdienst im Gästeblock. An den Zugängen zu den einzelnen Blöcken seien behelmte Einsatzkräfte der Polizei im Einsatz gewesen. mehr